Unser Wanderbursche in seiner Zimmermannskluft

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Sie sehen hier die traditionelle Kleidung eines Zimmermannes auf seiner Walz, sie wird „Kluft“ genannt.

Die Walz bezeichnet die Wanderschaft eines Handwerksgesellen, der seine Lehrzeit abgeschlossen hat. Sie wird auch als Wanderjahre oder Tippelei bezeichnet.

Vom Spätmittelalter bis zur Industrialisierung mussten Gesellen auf Wanderschaft gehen, wenn sie zur Meisterprüfung zugelassen werden wollten.

Sie sollten fremde Regionen kennenlernen, sowie neue Arbeitspraktiken und Lebenserfahrung mit nach Hause bringen.

In seiner Reisezeit darf der Wandersbursche einen Bannkreis von meist 50 km um seinen Heimatort nicht betreten, auch nicht im Winter oder zu Feiertagen. Er hat sich immer ehrbar und zünftig zu verhalten, so dass der Nächste ebenfalls gern gesehen ist. Nach einer Reisezeit von drei Jahren und einem Tag kann er sich einheimisch melden, sofern er schuldenfrei ist. Die vorgeschriebene Wanderzeit variierte zu verschiedenen Zeiten in Regionen und Berufen stark.

Die Wanderburschen hatten einen goldenen Ring im Ohr. Dieser war dafür vorgesehen finanzielle Engpässe zu überbrücken oder im Extremfall sein christliches Begräbnis zu finanzieren. Wurde der Wanderbursche bei einer schweren Verfehlung erwischt, so wurde ihm der Ring aus dem Ohr gerissen, daher kommt der Ausdruck „Schlitzohr“.

Die Kluft lässt jeden Wandergesellen auffallen: Schlaghose, Weste und Jackett entsprechen farblich der Tradition des Berufsstandes. Die 8 Knöpfe auf der Weste stehen für 8 Stunden tägliche Arbeitszeit und die 6 Knöpfe auf der Jacke bedeuten 6 Arbeitstage in der Woche: dies ist als ständig sichtbare Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen zu sehen und zeugt vom Selbstbewusstsein der Handwerker.

Die Anordnung der Knöpfe aus Perlmutt an der Schlaghose lässt erkennen, in welchem Lehrjahr sie sich befinden, Gesellen tragen 4 Knöpfe.

Meist ist er mit einem Stenz unterwegs, einem gezwirbelten Wanderstock.

Der breitkrempige Hut dient dazu, herabfallende Späne oberhalb arbeitender Kollegen aufzufangen, sie sollen nicht in den Kragen rutschen. Außerdem werden in der Hutkrempe Nägel bereitgehalten.  Im traditionellen Zimmermannshandwerk werden nur Hartholznägel verwendet. Der Schlag der Hose verhinderte, dass Späne in die Schuhe gelangten. Der Zollstock in der Tasche: Zoll Maß nach dem Menschen – Daumenbreite eines Mannes, ca. 2,5 cm.

 

Ab dem 18. Jahrhundert verlor die Walz aber an Bedeutung. Fabriken entstanden, die Ausbildung änderte sich und Fachschulen übernahmen die Funktion des Wissenstransfers.

Derzeit sind rund 400 Wandergesellen aus Deutschland unterwegs. Österreicher gehen nur vereinzelt auf die Walz, weil die Tradition bei uns kaum gepflegt wird. In Österreich gibt es auch keinen Schacht. Wanderwillige können sich einem deutschen Schacht anschließen.

Schächte sind Handwerkervereinigungen, die Gesellen auf der Wanderschaft unterstützen. Gleichzeitig überwachen sie das Erscheinungsbild und das Verhalten der Arbeitenden in der Fremde.

 Nicht nur Zimmerer sind heute noch auf der Walz, sondern auch Gesellen anderer Handwerksberufe wie Tischler, Schmiede, Steinmetze, Maurer usw.

Das Wanderbuch mit Städtesiegeln und Arbeitszeugnissen gilt in der EU als Reisepass.

 

Quellen: Hans Roth:“Zunftherrlichkeit“, Rosenheimer 1981 und WIKIPEDIA, OÖNachrichten vom 10.01.2019